Out West
Angelehnt an die romantisierenden Vorstellungen des amerikanischen Wilden Westens, synonym mit den Idealen der Exploration und Expansion, erzählt der Fotograf Patrick Wack mit seinen Aufnahmen eine visuelle Reise in die westlichsten Region Chinas – Xinjiang. Während der amerikanische Westen Bilder von Cowboys und Pionieren hervorruft, von manifest destiny und von individueller Freiheit, liegt dem “Wilden Westen Chinas” in unseren Köpfen noch keine Interpretation zugrunde. Es ist ein Ort der Vielfalt – ein Ort von betörenden, weiten Landschaften, von rauen Bergen und klaren Seen, von Neubauten und Ölfeldern, von verlassenen Strukturen in verwesenden Städten, von frommem Glauben und den regelmässigen Rufen zum Gebet. Es ist ein Land mit einer sich ständig ändernden Identität: Xinjiang ist die neue Grenze, die es zu erobern und zu überdenken gilt.
Wörtlich übersetzt aus dem Chinesischen bedeutet Xinjiang genau dies: “neue Grenze”. Es ist ein Land mitten drin und doch am Rande, verbindend und doch in sich geschlossen – und das seit Jahrhunderten. Mit mehr als der doppelten Fläche Frankreichs und mit einer Bevölkerungszahl die kleiner ist als die der Stadt Shanghai, ist die chinesische Provinz Xinjiang Verbindungsstück zwischen China, Zentralasien und Europa und die erste Etappe der alten Seidenstraße. Und doch war und ist es physisch, kulturell und politisch völlig eigen, fast ein Gegenpol zum modernen China der Ostküste; seine endlos scheinende Weite; die von fliessender arabischer Schrift und Moscheen geprägten Städte. Offiziell als eine autonome Region bezeichnet, ist die schwierige Beziehung mit dem vordringenden, imposanten, und überwachenden Osten allzeit gegenwärtig. Für Chinas ethnische Han Mehrheit ist Xinjiang wieder einmal neue Grenze; für Pekings Politik der neuen Seidenstrasse – Chinas eigener manifest destiny – eine Aussicht auf Wohlstand durch seine reichen Ölfelder.
Für Patrick Wack ist Out West gleichermassen eine Geschichte über eine Region wie auch eine Aufzeichnung seiner eigenen, es ist eine Dokumentation des heutigen wie des historischen Xinjiang, und gleichsam eine emotionale Suche nach der Antwort auf die Frage nach dem, für was es sich lohnt zu Streben. Er hat eine inhärente Faszination mit dieser Region – sowohl Schlüssel als auch Schloss des den neuen China – die mit seiner scheinbaren Grenzenlosigkeit instinktiv Selbstbetrachtung hervorruft. Out West präsentiert Xinjiang durch die Linse der Gegenwart, in einer fotografischen Bildsprache von surrealistischer Ruhe, welche die Beunruhigung durch das Unbekannte in ihrem Arm hält.
Out West bietet einen Eindruck von Xinjiang, welcher die Entfremdung dieser Region von der zeitgenössischen Wahrnehmung des neuen China betont, gleichzeitig unterschwellige Spannungen aber auch die Mystik des Ortes hervorhebt. Im Kern stellt Out West die Frage nach der Perspektive: Wo liegen Osten und Westen und wie weit sind sie voneinander entfernt?
Von Bonny Yau und Patrick Wack